Michael Hieslmair  

Anmelden
  Heisse Luft. Ein regionales Branding-Theater im Vulkanland

Michael Hieslmair/ Michael Zinganel und das Theater im Bahnhof Graz
Im Rahmen der Regionale 2008, Steiermark


Video auf Youtube ansehen

heisse_luft_006_380

Eine theatralisch verdichtete Inszenierung eines fiktiven interdisziplinären Symposiums, in der aktuelle Branding-Strategien mit dem gegenwärtigen Boom von Kulturfestivals und ihren Diskursveranstaltungen in Beziehung gesetzt werden. Neu zusammengesetzt aus den Kochbüchern und Spielanleitungen avancierter Architektur-, Kunst-, Design- und MarketingexpertInnen.

heisse_luft_004_380

Produktion

Formatleitung: Michael Zinganel und Michael Hieslmair
Szenische Indoktrinationsversuche: Veit Sprenger, Showcase Beat Le Mot Hamburg
Spielleitung: Ed Hauswirth, Theater im Bahnhof Graz
SchauspielerInnen: Rupert Lehofer, Matthias Ohner und Monika Klengel, Theater im Bahnhof Graz sowie Marco Frühbeck, Elke Jöbstl und Sonja Puff, Bad Gleichenberg
Theorie-, Ideologie- und Modellbauabteilung: Michael Hieslmair und Michael Zinganel

Technik: Gerhard Michl, Manfred Mohab
Fotos: Johannes Gellner
Idee: Michael Zinganel

Dank an: Günter Gaber, Siegfried Loos und Margot Fürtsch, Firma Mandlbauer Bau GmbH, Josef Schellnegger und Hubert Schlagbauer
Ort: Landesberufsschule für Tourismusberufe Bad Gleichenberg
Premiere: 5. September 2008, 20 Uhr
Weitere Termine: 6. und 8. September, jeweils 20 Uhr

heisse_luft_001_380

Plot
Eine mittelständische, vormals ländlich geprägte Region auf der Suche nach ihrer Identität und einer Neupositionierung im Wettbewerb. Branding erscheint als das aktuelle Zauberwort! Bloß welche gemeinsamen Zeichen sollen einem so heterogenen Gemeindeverband eingebrannt werden? Wo? Von wem? Mit welchen Mitteln? Und um welchen Preis? Neue Logos? Neue Landmarks? Zeitgenössische Kunst als Brandzeichen? Kulturveranstaltungen? Events? Oder etwa inszenierte Skandale? Ein hochkarätig besetzter Kongress zum Thema „Regional-Branding“ soll abgehalten werden, der als Event die Ambition der Region zur Neuausrichtung bewirbt.Die Gemeinde lädt sich dazu namhafte externe ExpertInnen ein, die ihr ‚nachhaltig’ ihre Vorstellungen aufzunötigen versuchen. Aus ihren Beiträgen lassen sich dennoch Richtung weisende Hinweise zur Neuausrichtung destillieren. In Folge des Kongresses soll ein Ideenwettbewerb abgehalten werden, um weitere Projekte, Investoren und Fördergelder zu akquirieren.Fiktive TeilnehmerInnen sind unter anderem ein Philosoph oder Soziologe, ein Trendforscher oder Branding-Theoretiker, ein Leiter einer Werbeagentur, der lokale Hotelier und Grundbesitzer, die Managerin des Tourismusverbandes, eine lokale Politikerin, ein Gesundheitsökonom oder Wellness-Berater, ein Event-Veranstalter oder Erlebnisweltexperte, ein Star-Architekt, ein Kunstkurator, ein Großskulptur-Künstler und VertreterInnen einer sich kritisch in Verweigerung übenden Gegenkultur. Im Hintergrund agieren eine lokale Kellnerin, ein Techniker, die begrüßende Bürgermeisterin und ihr EU-Projektförderungsberater. Nicht anwesend: der nicht näher benannte Investor.

heisse_luft_003_380

Inszenierung
Das Stück wurde in Workshops mit dem Theater im Bahnhof, mit Schauspielerinnen aus Bad Gleichenberg und den Initiatoren gemeinsam entwickelt. Ziel war es, eine lustvolle ironische Metakritik zur Regionale 08 beizutragen, einem jener neuen dezentralen Festivalformate, die für sich beanspruchen, Kultur als Medium der Selbstreflexion in Identitätsfindungs- und Neupositionierungs-Prozessen von Regionen zu fördern.

Die SchauspielerInnen spielen die verdichteten Dialoge und habituellen Eigenheiten der fiktiven SymposiumsteilnehmerInnen nach. Allerdings nicht ausschließlich in der starren Bühnensituation des Symposiums, sondern auch in informellen Pausendialogen, beim Kaffee, einer geführten Tour durch die Region oder in der Buschenschank. Dort versuchen die fiktiven ExpertInnen, sich gegenseitig aus ihren Kochbüchern des Destinations- und Selbst-Branding verschiedene Identitätshäppchen zuzubereiten und anzubieten. Sie schneiden sich dünne Scheibchen vom symbolischen Kapital herunter und spielen sich gewandt durch Logos und Slogans, um sich dabei gegenseitig für zukünftige Projekte anzuwerben.Zusätzlich treten – einem Puppentheater ähnlich – übergroße Modelle der von ExpertInnen typischerweise vorgeschlagenen Logos, Projekte und regionalen Produkte auf, aber auch Werkzeuge zur Landvermessung und Projektion. Sie diskutieren über die ihnen zugewiesene Rolle in der geplanten Branding-Kampagne oder halten Kurzvorträge zu Medientheorie und Marketing.

heisse_luft_010_380

Die architektonisch signifikante 16 x 50 Meter große und hell ausgeleuchtete Flachdach-Terrasse der Landesberufsschule für Tourismusberufe in Bad Gleichenberg bildet die Bühne. Das Publikum befindet sich an dessen Schmalseite im voll verglasten und deshalb stark überhitzten Foyer. Akustisch durch die Glasfassade abgeschirmt kann es die szenisch gegliederten Handlungen zwar sehen aber nicht hören. Stattdessen kommentiert ein Sprecher im Foyer über Mikrofon und Lautsprecher das Spiel im Außenraum. Improvisierend aber scheinbar Symposium erfahren und mit Hintergrundwissen ausgestattet versucht er, den Akteuren vermeintlichen Aussagen in den Mund zu legen und dem Publikum zu erklären, was sich auf der Bühne jeweils wirklich tut, wie so ein Symposium typischerweise funktioniert – oder auch nicht.

heisse_luft_005_380

heisse_luft_comic_001_380

Um im sich verschärfenden globalen Standortwettbewerb ihr ökonomisches und soziales Überleben zu sichern sind Städte und Regionen wie Wirtschaftbetriebe zu einer ständigen aktiven Entwicklung ihrer wirtschaftspolitischen Strategien und ihrer kulturellen Identität gezwungen. Hoffnungsmärkte sind High-Tech, Wissensproduktion und Qualitätstourismus. Bei der Neupositionierung und Markenbildung durch verständliche Slogans – die sich gleichermaßen nach außen wie nach innen richten – nimmt die Kreativwirtschaft eine immer bedeutendere Schlüsselrolle ein.*

heisse_luft_comic_002_380

Die erfolgreich angeworbenen Kreativen projizieren ihre Ideen auf die, die Landschaft prägenden Lagerhaus-Silotürme, die nun als Sockel für neue Attraktionen dienen sollen: ein von einem Stararchitekten entworfenes Kulturzentrum, eine überdimensionale Zahlenskulptur als Glücksymbol einer bedeutenden neuen touristischen Zielgruppe, ein Moscheen-Projekt als produktive mediengerechte Provokation und das riesige neue Logo eines neuen Festivals als Symbol des kulturellen Aufbruchs.*

heisse_luft_comic_003_380

Zu aller erst wurde das Logo entwickelt. Es soll als starke Dachmarke die unterschiedlichen Teil-Projekte zusammenfassen. Durch die Aneignung arabischer Schriftzeichen ist es ein nicht unmittelbar entzifferbares Symbol der Differenz, ein emotionales Design, das durch Irritation das Kreativpotential in der Region stimulieren will. Zumindest ein Jahr lang, denn mit dem Ende des diesjährigen Festivalthemas verliert es seine Gültigkeit. Dann würde es als Markenzeichen für andere Produkte frei werden: etwa für die Beauty- und Wellness-Linie eines Top-Hotels oder für einen coolen urbanen loungigen Club…*

heisse_luft_comic_004_380

Dem Logo folgt die Vermessung der Kulturlandschaft: zusätzlich zu Shopping Malls, Technologieparks und Thermen wird nun das Kreativpotential der Region sondiert, die Grenzen zwischen Brandlands neu abgesteckt, neue Standorte für Landmarks, Forschungs-Laboratorien und Thinks Tanks, Drehorte für Film und TV festgelegt. Zuerst wird eine skulpturale Aussichtsplattform als Landmark konzipiert, um einen Überblick über den Baufortschritt bei der Errichtung der anderen Attraktionen zu ermöglichen …*

heisse_luft_comic_005_380

In der Regionalentwicklung kommt weichen Standortfaktoren, wie einer hohen Lebensqualität durch soziale Sicherheit, einer Vielfalt an Bildungs- und Freizeitangeboten und einer qualitativ hochwertigen Nahversorgung, eine erhöhte Bedeutung zu. Damit sollen aber nicht nur postkapitalistische Touristen auf Sinnsuche angesprochen, sondern auch die Abwanderung des lokalen Kreativpotentials unterbunden oder zusätzliches angeworben werden.*

heisse_luft_comic_006_380

Ein Schlüsselfaktor für den ökonomischen Erfolg einer Stadt oder Region ist Diversität – nicht nur bezüglich der angesiedelten Unternehmen, ihrer Marken-Produkte und Dienstleistungen sondern auch bezüglich der Lebensstile der BewohnerInnen. Voraussetzung um das Kreativpotential anzuziehen, zu halten oder freizusetzen ist die Toleranz gegenüber Subkulturen: MigrantInnen, Bohemians, politischen AktivistInnen, KünstlerInnen, und Homosexuellen. Wo die Diversität der Kulturen nicht existiert, muss sie erfunden, inszeniert und zur Schau gestellt werden.*

heisse_luft_comic_007_380

Zu einer professionellen aktiven Neupositionierung ist naturgemäß auch Kapital nötig. Besten  falls kann der Mangel an Kapital von lokalen Akteuren durch den Investitions-Druck, der aufgrund eines Kapitalüberschusses anderen Ortens entsteht, kompensiert werden. Um in einer Ökonomie der Aufmerksamkeit diesen Kapitalfluss in Gang setzen oder zu seinen Gunsten umleiten zu können zählen neben sozialen Netzwerken angeblich auch medial kommunizierte Kulturprojekte zu den erfolgversprechendsten Werkzeugen.*

* Theorie-Sampling aus wirtschaftsaffinen und -kritischen Texten
Boltanski, Luc; Ève Chiapello. <<Der>> neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK-Verl.-Ges., 2006.

Bolz, Norbert. <<Die>> Wirtschaft des Unsichtbaren – Spiritualität, Kommunikation, Design, Wissen: die Produktivkräfte des 21. Jahrhunderts. München: Econ, 1999.
Bröckling, Ulrich (Hrsg.). Glossar der Gegenwart. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2004.
Budak, Adam; Franke, Anselm/ Peleg, Hila; RAQS Media Collective (Hrsg.). Manifesta 7 (Katalog). Milano: Silvana Editoriale, 2008.
Florida, Richard L. <<The>> rise of the creative class and how it’s transforming work, leisure, community and everyday life. New York, NY: Basic Books, 2006.

Franzen, Brigitte; König, Kaspar; Plath, Katharina (Hrsg.). Skulpturprojekte Münster 07 (Katalog). Köln, 2007

Landry, Charles. <<The>> creative city a toolkit for urban innovators. London u.a.: Earthscan u.a., 2008.
Spillmann, Peter. Der Glamour von St. Moritz, in: Harrasser, Karin (Red.). Alpine Avantgarden und urbane Alpen, Sinnhaft; 21. Wien: Löcker, 2008.
Zukin, Sharon. Städte und die Ökonomie der Symbole, in: Göschel, Albrecht und Kirchberg, Volker (Hrsg.). Kultur in der Stadt – stadtsoziologische Analysen zur Kultur. Opladen: Leske + Budrich, 1998.

 

  Hot Air. A regional branding theatre in the volcano land
Regionale08, Bad Gleichenberg, Steiermark 2008

A theatrically condensed staging of a fictional symposium where contemporary strategies of branding are connected with the present-day boom of culture festivals and their discourse events. Freshly composed from the cookbooks and game instructions by advanced experts in architecture, arts, design and marketing.

Plot: A middle-class formerly rural region in search for its identity and for a re-positioning in competition. Now, branding appears as the magic word of moment. But which common signs shall be branded into such a heterogeneous conglomerate of municipalities? Where? By whom? By which means? For what price. New logos? New landmarks? Contemporary art as brand? Cultural venues? Events? Or carefully staged scandals? Now, a congress with the participation of leading authorities covering the topic of "regional branding" will be held, an event that tries to gain attention for the ambitions for finding new directions.

The municipality invites renowned external experts who try to force on it 'sustainably' their own ideas. From their contributions can nevertheless be distilled hints for the direction where the new position will be found. In the aftermath of the symposium a call for tenders shall be held, collecting ideas that help to acquire more projects, investors and development funds.

Fictitious participants are, among others, a philosopher or sociologist, a trend researcher or branding theoretician, a director of a advertisement agency, the local hotel manager and real estate owner, the manager of the tourism association, a local politician, a health economist or wellness consultant, an event organiser or expert for amusement parks, a star architect, an art historian, an art curator, a macro sculpture artist and representatives of a critically refusing counterculture. Backstage act a local waitress, a technician, the welcoming mayor and her EU project development consultant. Absent is the investor, not known by name.

STORAGE TOWERS
The successfully recruited creative people project their ideas on the storage towers that mark the landscape, now used as support for new attractions: a culture centre designed by a star architect, the oversized sculpture of a number sign as symbol of luck for an important new target group of tourists, a mosque project aiming at being a productive media-effective provocation, and the giant new logo of a new festival as the symbol of cultural emergence.*

LOGO
First of all the logo is developed. It shall, as a powerful umbrella brand, impose coherence on the varied partial projects. Thanks to the appropriation of Arabic letters it represents a symbol of difference that is not readable at first sight, an emotional design, which aims at stimulating the creative potential by irritation. At least for one year, since with the end of the present festival theme it will loose its validity. From then on it will be open to be used as brand for other products as well: for instance for the beauty and wellness line of a top-class hotel or for a cool urban club with loungy atmosphere.*

SCULPTURAL SCENIC VIEWPOINT
The establishment of the logo is followed by the surveying of the cultural landscape: in addition to shopping malls, technology parks and hot springs the creative potential of the region is sounded out, the borders between the brandlands is newly staled out, new places for landmarks, research laboratories and think tanks, locations for movies and TV productions are determined. It starts with the concept of the sculptural scenic viewpoint as a landmark, in order to achieve an overview of the progress of the construction of the other attractions...*

ZEN GARDEN AND WELLNESS
In regional development soft location factors such as a high quality of living through social security, a variety of educational and leisure offers and a qualitatively performing neighbourhood supply have high priority. This shall not only address postcapitalist tourists in search of the deeper meaning of life but also prevent the local creative potential from moving away or encourage more of them to arrive.*
LANDSCAPE OF DIVERCITY
A key factor for the economic success of a city or a region is diversity – not only with respect to the established companies, their branded products and services, but also regarding the life stiles of the inhabitants. A prerequisite for attracting, keeping or releasing the creative potential is tolerance for subcultures: migrants, bohemians, political activists, artist, and homosexuals. Where diversity of culture does not exist, it has to be invented, staged and exhibited.*

MONEY
For a professional active repositioning capital is needed, of course. At best the lack of capital of local actors can be compensated by the pressure towards investments due to capital overflow in another place. In order to get going, in an economy of attention, a capital flow or to be able to divert it for one's own benefits, it is says that social networks together with culture projects are among the most promising tools.*

* Theory-sampling from orthodox and critical economic texts
Boltanski, Luc, and Ève Chiapello. Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz, 2006; Bolz, Norbert. Die Wirtschaft des Unsichtbaren – Spiritualität, Kommunikation, Design, Wissen: die Produktivkräfte des 21. Jahrhunderts. München, 1999; Bröckling, Ulrich. Glossar der Gegenwart. Frankfurt am Main, 2004; Budak, Adam; Franke, Anselm/ Peleg, Hila/ RAQS Media Collective (Hrsg.). Manifesta 7 (Katalog). Milano, 2008; Florida, Richard L. The rise of the creative class and how it‘s transforming work, leisure, community and everyday life. New York, 2006; Franzen, Brigitte; König, Kaspar; Plath, Katharina (Hrsg.). Skulpturprojekte Münster 07 (Katalog). Köln, 2007; Landry, Charles. The creative city a toolkit for urban innovators. London, 2008; Spillmann, Peter. Der Glamour von St. Moritz, in: Harrasser, Karin (Red.). Alpine Avantgarden und urbane Alpen, Sinnhaft; 21. Wien, 2008; Zukin, Sharon. Städte und die Ökonomie der Symbole, in: Göschel, Albrecht und Kirchberg, Volker (Hrsg.). Kultur in der Stadt. Opladen, 1998